Chemosensitivität in der Krebsbehandlung
Chemotherapien sind das Herzstück vieler Krebsbehandlungen und für Patienten mit vielen Hoffnungen, aber auch mit großer Belastung und Sorge verbunden. Denn nicht immer ist eine Chemotherapie so wirksam, wie sie es sein sollte. Chemosensitivitätstests machen es möglich, dies schon vor Beginn der Behandlung festzustellen und helfen so, wirkungslose Chemotherapien zu verhindern.
Chemotherapeutika und die leitliniengerechte Chemotherapie
Eine Krebserkrankung entsteht, wenn körpereigene Zellen sich zu schnell und unkontrollierbar teilen. Deshalb werden zur Behandlung von Krebs schon lange Medikamente eingesetzt, die sich schnell teilende Zellen angreifen und abtöten – die Chemotherapeutika. Mittlerweile steht Ärzten eine große Auswahl von verschiedenen Chemotherapeutika zur Verfügung, die das Wachstum von Krebszellen auf unterschiedliche Arten behindern. Daraus die geeigneten Medikamente zur Behandlung einer konkreten Krebserkrankung zu wählen ist eine große Herausforderung bei der Planung einer Chemotherapie. Denn neben den Eigenschaften des Tumors müssen auch individuelle Faktoren des Patienten berücksichtigt werden.
Die derzeitigen Leitlinien zur Krebsbehandlung begegnen dieser Herausforderung, indem sie Patienten nach Ursprungsgewebe und Krebsstadium ihres Tumors in möglichst homogene Gruppen einteilen. Jede dieser Patientengruppen wird dann nach Erfahrungswerten mit derjenigen Therapie behandelt, die für sie die wahrscheinlich beste und wirksamste ist. Dabei kommen Chemotherapeutika – je nach zu behandelnder Krebsart – meist in standardisierten Kombinationen zum Einsatz, um die Wirksamkeit zu erhöhen und Nebenwirkungen zu verringern.
Chemosensitivität und Chemoresistenz als Kenngrößen von Krebs
Jedoch wirkt eine leitliniengerechte Chemotherapie nicht für jeden Patienten gleich gut. Denn Krebs ist eine individuelle Erkrankung. Auch bei Tumoren ähnlicher Herkunft kann sich die Empfindlichkeit der Krebszellen gegen ein Chemotherapeutikum (Chemosensitivität) zwischen Patienten unterscheiden. Die Chemosensitivität beschreibt, ob ein bestimmter Tumor auf ein bestimmtes Medikament reagiert, wie stark er von ihm in seinem Wachstum gebremst und / oder abgetötet wird. Damit ist sie Voraussetzung für die Wirksamkeit der Chemotherapie.
Das Gegenteil von Chemosensitivität ist Chemoresistenz. Damit ist gemeint, dass der Tumor auch in Gegenwart des Chemotherapeutikums weiterwachsen kann, also – vergleichbar einer Antibiotikaresistenz bei Bakterien – nicht empfindlich auf es reagiert. Eine entsprechende Chemotherapie wäre damit wenig erfolgversprechend. Glücklicherweise sind Tumoren nur selten resistent gegen alle in Frage kommenden Therapien – wirksame Alternativen können also gefunden werden, wenn die Chemoresistenz rechtzeitig bekannt ist. Dabei wollen wir Ihnen helfen.
Direkte Chemosensitivitätstestung
Chemosensitivität und Chemoresistenz werden mit denselben Testverfahren nachgewiesen, die man zusammenfassend als Chemosensitivitätstests bezeichnet. Bei ihnen wird getestet, ob dem Patienten entnommene Krebszellen trotz Behandlung mit Chemotherapeutika überleben und sich vermehren können. Zeigen diese Zellen somit Chemoresistenz, ist mit >95% Wahrscheinlichkeit1) auch der im Körper verbliebene Tumor resistent gegen dieses Chemotherapeutikum. Die präzise Vorhersage dieser Resistenzen ist die Stärke von Chemosensitivitätstests (genauer eigentlich: Chemotherapie-Resistenz-Tests). Indem man bei der Planung der Chemotherapie nur Medikamente berücksichtigt, die das Wachstum der Krebszellen in einem Chemosensitivitätstest bremsen konnten, erhöht man die Ansprechwahrscheinlichkeit der Behandlung deutlich.
Sind die entnommenen Krebszellen sensitiv gegen ein Chemotherapeutikum, weist das auf eine Chemosensitivität des Tumors gegen das getestete Medikament hin. Die Wirksamkeit des Chemotherapeutikums im Körper lässt sich jedoch bei Chemosensitivität schlechter voraussagen als bei Chemoresistenz, da sich derzeit nicht alle Resistenzmechanismen im Körper in diagnostischen Tests simulieren lassen.
Verschiedene Chemosensitivitätstests unterscheiden sich dadurch, wie die überlebenden Krebszellen nachgewiesen werden. Der von uns durchgeführte Chemotherapie-Resistenz-Test (CTR-Test®) zum Beispiel misst die Menge der neu gebildeten DNA und stellt so fest, ob sich die Zellen einer Gewebeprobe während der Behandlung mit Chemotherapeutika vermehrt haben. Da sich reguläre Körperzellen während des Tests nicht teilen und somit unsichtbar bleiben, ist er besonders spezifisch für Krebszellen. Andere Tests messen z.B. den Gehalt der Gewebeprobe an ATP, der „Energiewährung“ lebender Zellen und können so leichter durch überlebende, nicht entartete Zellen verfälscht werden.
Indirekte Chemosensitivitätstestung
Die oben beschriebenen Chemosensitivitätstests sind nur an lebenden Krebszellen durchführbar. Doch auch anhand von archiviertem (nicht mehr lebendem) Tumorgewebe kann man – sofern es nicht zu alt ist – Aussagen über die erwartete Chemosensitivität der Krebszellen treffen. In diesem Fall betrachtet man molekular-basierte Biomarker – charakteristische molekularbiologische Merkmale – der jeweiligen Tumorzellen, die mit einem Ansprechen oder Nichtansprechen auf bestimmte Chemotherapien assoziiert sind. Durch die Auswertung vieler unterschiedlicher Biomarker ergibt sich so ein individuelles Profil des Tumors, das auch Rückschlüsse auf die Wirksamkeit von Chemotherapeutika zulässt.
Jenseits der Chemotherapie – Wirksamkeitstests bei zielgerichteten Krebsmedikamenten
Immer häufiger wird die Chemotherapie bei Krebs mit sogenannten zielgerichteten Krebsmedikamenten kombiniert oder ersetzt. Diese Medikamente richten sich gegen eine der molekularen Veränderungen, die Zellen im Laufe der Krebsentstehung erwerben und die ihre unkontrollierte Vermehrung ermöglichen. Da zielgerichtete Medikamente somit wesentlich besser zwischen Krebszellen und gesunde Zellen unterscheiden können als Chemotherapeutika, sind sie spezifischer für Krebszellen, haben deutlich weniger Nebenwirkungen und können außergewöhnlich hohe Wirksamkeiten gegen Krebs erreichen. Jedoch kann eine solche zielgerichtete Krebstherapie nur dann wirken, wenn der behandelte Krebs exakt die Veränderungen aufweist, gegen die das Medikament sich richtet. Die Sensitivität des Tumors gegen ein zielgerichtetes Krebsmedikament ist also stark abhängig vom Vorhandensein einiger weniger molekularer Veränderungen. Damit wird es sehr wichtig, die Behandlung individuell auf den Patienten abzustimmen.
Um die Wirksamkeit einer zielgerichteten Krebstherapie abzuschätzen, kann man dieselben Methoden anwenden, die oben zur Chemosensitivitätstestung beschrieben sind. Aufgrund der starken Abhängigkeit der Therapiewirksamkeit von bestimmten molekularen Veränderungen ist die Auswertung ausgewählter molekular-basierter Biomarker vor der Anwendung einiger neuer zielgerichtete Medikamente bereits Standard. Aber auch direkte Wirksamkeitstests befinden sich in der Entwicklung oder sind für einzelne Medikamente bereits möglich.
Weitere Informationen
Für ausführlichere Informationen zu den Anwendungsbereichen von verschiedenen Chemosensitivitätstests lesen Sie bitte weiter unter "Welcher Test für wen?"
Quellen
1) Kischkel et al., 2017 – „New in vitro system to predict chemotherapeutic efficacy of drug combinations in fresh tumor samples.“ DOI 10.7717/peerj.3030 (Link: https://peerj.com/articles/3030.pdf)